Warum heißt das Bohnenviertel in Stuttgart so?

Stuttgart: Das Geheimnis des Bohnenviertels

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Das Bohnenviertel in Stuttgart ist weit mehr als nur ein Stadtteil. Es ist ein lebendiges Stück Geschichte, ein Quartier voller Charme, das mit seinen verwinkelten Gassen, den historischen Altbauten und einer einzigartigen Atmosphäre Besucher und Einheimische gleichermaßen verzaubert. Hier findet man eine bunte Mischung aus Antiquitätenläden, kreativen Künstlerateliers, einladenden Cafés und traditionellen Weinstuben, die zum Verweilen einladen. Doch was steckt hinter dem ungewöhnlichen Namen dieses faszinierenden Viertels?

Der Ursprung des Namens: Eine Geschichte der Bescheidenheit und des Überlebens

Der Name „Bohnenviertel“ ist eng mit der Geschichte der Menschen verbunden, die einst in diesem Teil Stuttgarts lebten. Es war in erster Linie die ärmere Bevölkerungsschicht der Stadt, die hier ihr Zuhause hatte. Ihre Lebensbedingungen waren oft bescheiden, und die Versorgung mit Nahrungsmitteln spielte eine zentrale Rolle für das tägliche Überleben.

Warum schmecken Bohnenmus im Restaurant so gut?
In Restaurants zubereitete Bohnenmuse sind eine Hommage an die traditionellen mexikanischen Kochpraktiken, indem dem Rezept eine kräftige Portion Schmalz oder Bratenfett hinzugefügt wird .

In dieser Zeit entwickelten sich die Gärten, die zu den kleinen Häusern gehörten, zu wichtigen Quellen der Selbstversorgung. Und unter den angebauten Pflanzen nahm eine ganz besondere eine herausragende Stellung ein: die Gartenbohne. Die Bohne war nicht nur nahrhaft und sättigend, sondern auch relativ einfach anzubauen und lieferte eine reiche Ernte, selbst auf kleinen Flächen. Sie wurde zum Hauptnahrungsmittel für viele Bewohner des Viertels.

Die Bedeutung der Bohne ging jedoch über die reine Ernährung hinaus. Sie prägte das Bild des Viertels auf eine ganz eigene Weise. Man erzählt sich, dass Bohnenpflanzen nicht nur in den Gärten wuchsen, sondern auch kreativ genutzt wurden, um die Fassaden der Häuser zu schmücken. Girlandenförmig wurden die rankenden Pflanzen an den Wänden aufgehängt, was dem Viertel zur Erntezeit ein ganz besonderes, grünes Aussehen verlieh. Diese lebendigen Dekorationen waren ein sichtbares Zeichen der Bedeutung der Bohne für die Gemeinschaft.

Die Bohne war so tief im Leben der Bewohner verwurzelt, dass sich um sie herum verschiedene Bräuche und Traditionen entwickelten. Einer der bekanntesten und liebenswertesten Bräuche war der des „Bohnenkönigs“. Einmal im Jahr wurde ein spezieller Kuchen gebacken. In diesem Kuchen wurde vor dem Backen eine einzige Bohne versteckt. Der Kuchen wurde dann in Stücke geteilt und an die Mitglieder der Gemeinschaft oder Familie verteilt.

Wer das Glück hatte, das Stück Kuchen mit der versteckten Bohne zu finden, wurde für diesen Anlass zum „Bohnenkönig“ oder zur „Bohnenkönigin“ gekrönt. Diese Person durfte bei einem anschließenden Festmahl oder Gelage eine besondere Rolle einnehmen, oft als eine Art spielerischer Hofstaat, der geehrt und besonders behandelt wurde. Dieser Brauch war mehr als nur ein Spiel; er war ein Ausdruck der Gemeinschaft, des Teilens und des Feierns inmitten oft harter Lebensumstände. Er zeigte, wie ein einfaches Nahrungsmittel wie die Bohne zum Mittelpunkt sozialer Interaktion und Freude werden konnte. Es ist diese tiefe, historische Verbindung der Bewohner zur Bohne als Lebensgrundlage und kulturelles Element, die dem Viertel seinen einzigartigen Namen gab: das Bohnenviertel.

Wandel der Zeit: Vom grünen Gartenviertel zum städtischen Block

Im Laufe des 19. Jahrhunderts veränderte sich das Stadtbild Stuttgarts, und auch das Bohnenviertel blieb von diesem Wandel nicht unberührt. Gegen Ende des Jahrhunderts wuchs die Stadt, und der Bedarf an Wohn- und Gewerbeflächen stieg. Die einst weitläufigen Gärten, in denen die Bohnen und anderes Gemüse für den Eigenbedarf angebaut wurden, wichen zunehmend dichterer Bebauung.

Anstelle der kleinen Häuser mit ihren Gärten entstanden größere Gebäudeblöcke und eine Vielzahl von Gewerbebetrieben siedelte sich an. Das Viertel entwickelte sich von einem primär landwirtschaftlich geprägten Wohngebiet der ärmeren Schicht zu einem belebten städtischen Quartier mit einer Mischung aus Wohnen und Arbeiten, das aber seinen ursprünglichen Charakter als bescheidenes Arbeiterviertel weitgehend behielt.

Rettung und Revitalisierung: Das Bohnenviertel heute

In den 1970er Jahren stand das Bohnenviertel erneut vor einer tiefgreifenden Veränderung. Pläne sahen eine umfassende Überbauung und Modernisierung des Viertels vor, die befürchten ließ, dass der historische Charakter und die gewachsene Struktur unwiederbringlich verloren gehen würden. Doch die Bewohner und Liebhaber des Viertels leisteten Widerstand. Sie setzten sich vehement dafür ein, das Bohnenviertel als typisches Innenstadtquartier zum Wohnen und Arbeiten zu erhalten und zu sanieren, anstatt es komplett neu zu gestalten.

Dieser bürgerschaftliche Einsatz war erfolgreich und führte zu einem städtebaulichen Wettbewerb, dessen Ziel es war, das Viertel behutsam zu erneuern und seine Lebensqualität zu verbessern, ohne seine Seele zu zerstören. Im Zuge dieser Sanierung wurden gezielte Maßnahmen ergriffen:

  • Begrünung der Innenhöfe: Viele der oft vernachlässigten Innenbereiche der Gebäudeblöcke wurden in grüne Oasen verwandelt. Diese begrünten Innenhöfe bieten den Bewohnern Ruhezonen und verbessern das Mikroklima im Viertel.
  • Errichtung von Kinderspielplätzen: Um das Viertel auch für Familien attraktiv zu gestalten und den jüngsten Bewohnern Raum zur Entfaltung zu geben, wurden neue Spielplätze geschaffen.
  • Verkehrsberuhigung: Maßnahmen zur Reduzierung des Durchgangsverkehrs und zur Beruhigung des Straßenraums erhöhten die Aufenthaltsqualität und Sicherheit für Fußgänger und Bewohner.

Die Sanierung erfolgte mit großem Respekt vor dem quartiertypischen Charakter. Es wurde darauf geachtet, die urbane Mischung aus Wohnen und Arbeiten zu erhalten. Auch der vorhandene Altbaubestand, der dem Viertel sein unverwechselbares Gesicht gibt, wurde soweit als möglich bewahrt und saniert. Dieses Vorgehen sicherte den Fortbestand des Bohnenviertels als ein lebendiges, historisches und vielfältiges Quartier.

Das Bohnenviertel erleben: Charme, Genuss und Entdeckungen

Heute präsentiert sich das Bohnenviertel als ein Ort, der Geschichte und Gegenwart auf einzigartige Weise verbindet. Eine Entdeckungstour durch seine Gassen ist wie eine Reise in eine andere Zeit, aber mit dem pulsierenden Leben der modernen Stadt.

Warum heißt das Bohnenviertel in Stuttgart so?
Woher der Name kommt: Es war die ärmere Bevölkerung Stuttgarts, die in diesem Teil der Stadt wohnte. Ihr Hauptnahrungsmittel: Die Gartenbohne. Bohnenpflanzen wurden in den Gärten angepflanzt, sogar girlandenförmig an den Häusern aufgehängt.

Für Liebhaber besonderer Fundstücke sind die zahlreichen kleinen Geschäfte, Antiquitätenläden und Galerien ein wahres Paradies. Hier lässt es sich wunderbar stöbern und so manches einzigartige Stück entdecken, sei es ein antikes Möbelstück, ein seltenes Buch oder ein Kunstwerk direkt aus einem der lokalen Ateliers. Diese Vielfalt an unabhängigen Geschäften trägt maßgeblich zum individuellen Charakter des Viertels bei.

Neben dem Shopping-Erlebnis lädt das Bohnenviertel auch zum Genuss ein. Die gemütlichen Cafés bieten perfekte Gelegenheiten für eine Kaffeepause und ein Stück Kuchen, während man das Treiben auf der Straße beobachtet. Ein besonderes Highlight, das tief in der Geschichte des Viertels verwurzelt ist, sind die urigen Weinstuben.

Diese Weinstuben erinnern an die Tradition der Besenwirtschaften der Weingärtner, deren Weinberge einst direkt hinter der heutigen Weberstraße begannen. Auch wenn die Reben heute weiter entfernt wachsen, lebt die Kultur des Weingenusses im Bohnenviertel fort. In den Weinstuben kann man in geselliger Runde ein „Viertele“ – ein Viertel Liter Wein, oft lokaler Herkunft – genießen, begleitet von typisch schwäbischen Kleinigkeiten. Die Atmosphäre ist meist rustikal und herzlich, eine Hommage an die einfachen, aber geselligen Zeiten, in denen der Wein der Weingärtner direkt im Viertel ausgeschenkt wurde. Das Gefühl, hier ein Viertele zu trinken, ist ein authentisches Erlebnis, das die Verbindung zur Vergangenheit spürbar macht.

Ob man auf der Suche nach einem besonderen Geschenk ist, die kreative Atmosphäre genießen möchte oder einfach nur in einer gemütlichen Weinstube entspannen will – eine Entdeckungstour durchs Bohnenviertel Stuttgart lohnt sich in jedem Fall.

Ein jährliches Highlight: Das Stuttgarter Bohnenviertelfest

Ein fester Termin im Kalender vieler Stuttgarter und ein absolutes Highlight im Bohnenviertel ist das jährlich stattfindende Bohnenviertelfest. Dieses Straßenfest bringt das Viertel so richtig zum Leben und zieht Besucher aus der ganzen Stadt an.

Während des Festes verwandeln sich die Gassen in eine große Freiluftbühne und Festmeile. Live-Musik verschiedenster Stilrichtungen sorgt für Unterhaltung und gute Stimmung. Zahlreiche Stände bieten kulinarische Leckereien, von traditionellen schwäbischen Spezialitäten bis hin zu internationalen Köstlichkeiten. Dazu gibt es kühle Drinks, sei es Wein aus der Region, Bier oder andere Erfrischungen. Das Fest ist bekannt für seine ausgelassene und freundliche Atmosphäre und ist ein perfektes Beispiel dafür, wie das Bohnenviertel seine Gemeinschaft und seine Besucher feiert. Es ist ein Ausdruck der lebendigen Kultur und des Zusammenhalts, der dieses historische Quartier auszeichnet.

Bohnenviertel: Gestern vs. Heute

Um die Entwicklung des Bohnenviertels besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Unterschiede zwischen seiner frühen Geschichte und seiner heutigen Gestalt:

MerkmalFrüher (ca. 19. Jh.)Heute (nach Sanierung)
BevölkerungVorwiegend ärmere Schichten, ArbeiterGemischt (Wohnen, Arbeiten, Handel)
Nutzung/CharakterWohnen, Landwirtschaft (Bohnenanbau), bescheidenWohnen, Arbeiten, Gastronomie, Einzelhandel, Kultur; lebendig, historisch, charmant
BebauungKleine Häuser, weitläufige GärtenAltbauten (saniert), Gebäudeblöcke; dichter bebaut als früher, aber historischer Bestand erhalten
GrünflächenPrivate GärtenBegrünte Innenhöfe, öffentliche Spielplätze
VerkehrGeringBeruhigt (nach Sanierung)
WirtschaftSelbstversorgung, kleine HandwerkeVielfalt: Antiquitäten, Ateliers, Cafés, Weinstuben, Gastronomie, Dienstleistungen

Diese Tabelle verdeutlicht den Wandel, den das Bohnenviertel durchlaufen hat, von einem einfachen Gartenviertel zu einem vielfältigen und beliebten urbanen Quartier, das es geschafft hat, seine Wurzeln und seinen Charakter zu bewahren.

Häufig gestellte Fragen zum Bohnenviertel

Besucher und Interessierte haben oft Fragen zu diesem besonderen Stuttgarter Viertel:

  • Warum heißt das Bohnenviertel so?
    Der Name stammt aus dem 19. Jahrhundert, als hier vorwiegend ärmere Bevölkerung lebte. Sie bauten in den Gärten rund um ihre Häuser vor allem Bohnen als wichtiges Grundnahrungsmittel an. Die Bohne prägte das Leben und sogar das Aussehen des Viertels, was zur Namensgebung führte.
  • Was kann man im Bohnenviertel erleben?
    Das Viertel lädt zum Bummeln und Entdecken ein. Man kann in Antiquitätenläden und Galerien stöbern, in gemütlichen Cafés entspannen, in traditionellen Weinstuben ein „Viertele“ genießen oder einfach durch die historischen Gassen schlendern und die Atmosphäre auf sich wirken lassen.
  • Gibt es besondere Veranstaltungen im Bohnenviertel?
    Ja, ein jährliches Highlight ist das Stuttgarter Bohnenviertelfest. Dieses Straßenfest bietet Live-Musik, kulinarische Angebote und eine ausgelassene Stimmung und zieht viele Besucher an.
  • Ist das Bohnenviertel gut zu erreichen?
    Das Bohnenviertel liegt zentral in Stuttgart und ist gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. Es ist vom Stadtzentrum aus bequem zu Fuß erreichbar.
  • Was macht das Bohnenviertel so besonders?
    Seine einzigartige Mischung aus Geschichte, erhaltenen Altbauten, einer lebendigen Kulturszene mit Ateliers und Galerien, traditionellen Weinstuben und unabhängigen Geschäften verleiht dem Viertel einen unverwechselbaren Charme und macht es zu einem authentischen Stück Stuttgart.

Fazit: Ein Viertel mit Geschichte und Herz

Das Stuttgarter Bohnenviertel ist ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie ein Stadtteil seine Geschichte bewahren und sich gleichzeitig neu erfinden kann. Von seinen bescheidenen Anfängen als Gartenviertel der ärmeren Bevölkerung, geprägt durch den Anbau der namensgebenden Bohne und Bräuche wie den Bohnenkönig, hat es sich über die Phase der Industrialisierung zu einem lebendigen und beliebten urbanen Quartier entwickelt.

Dank des Engagements seiner Bewohner wurde es in den 1970er Jahren vor dem Abriss bewahrt und behutsam saniert, um seinen einzigartigen Charakter zu erhalten. Heute zieht das Bohnenviertel mit seinem Mix aus historischen Gebäuden, kreativen Geschäften, gemütlichen Cafés und authentischen Weinstuben Besucher aus Nah und Fern an. Es ist ein Ort, der seine Geschichte nicht versteckt, sondern stolz präsentiert und gleichzeitig eine moderne, vielfältige und einladende Atmosphäre bietet. Das Bohnenviertel ist und bleibt ein unverzichtbarer Teil des Stuttgarter Stadtlebens, ein Viertel mit viel Geschichte und noch mehr Herz.

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Bruno Auerei Leimen

Ich heiße Bruno Auerei Leimen und wurde 1979 in Heidelberg geboren. Seit über zwanzig Jahren widme ich mich leidenschaftlich der Entdeckung der kulinarischen Vielfalt Deutschlands. Nach meinem Studium der Literatur und des Journalismus an der Universität München habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, meine Liebe zum Schreiben mit meiner Neugier für authentische regionale Küche zu verbinden. Heute arbeite ich als Gastronomiekritiker, habe drei Bücher über kulinarische Reisen veröffentlicht und schreibe regelmäßig für renommierte Magazine. Besonders schlägt mein Herz für traditionelle Gerichte und handwerklich gebrautes Bier.

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