Was ist die Grabkapelle auf dem Württemberg in Rotenberg?

Die Grabkapelle auf dem Württemberg

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Hoch über dem Neckartal, inmitten der Weinberge des Stuttgarter Stadtteils Rotenberg, thront ein Bauwerk von erlesener Schönheit und tiefem emotionalen Hintergrund: die Grabkapelle auf dem Württemberg. Dieses imposante Mausoleum ist nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern auch ein berührendes Zeugnis königlicher Liebe und ein wichtiger Ort der württembergischen Geschichte.

Was ist die Grabkapelle auf dem Württemberg in Rotenberg?
Die Grabkapelle auf dem Württemberg im Stuttgarter Stadtteil Rotenberg ist ein Mausoleum auf dem Gipfel des Rotenbergs, der erst 1907 in Württemberg umbenannt wurde. König Wilhelm I. von Württemberg (1781–1864) hatte es nach dem Tod seiner zweiten Frau Katharina Pawlowna (1788–1819) errichten lassen.

Die Geschichte der Grabkapelle ist untrennbar mit dem Schicksal und den Gefühlen von König Wilhelm I. von Württemberg verbunden. Nach dem frühen Tod seiner zweiten Gemahlin, der russischen Großfürstin Katharina Pawlowna, im Jahr 1819, war der König zutiefst erschüttert. Katharina war nicht nur seine Frau, sondern auch eine Persönlichkeit von großer Intelligenz und sozialem Engagement, die in Württemberg sehr beliebt war. Sie starb im Alter von nur 30 Jahren. Wilhelm I. wollte seiner unvergessenen Liebe ein ewiges Denkmal setzen, einen Ort der Erinnerung und der letzten Ruhe, der ihrer Bedeutung würdig war. Seine Wahl fiel auf den Gipfel des Rotenbergs, einem Hügel, der erst später, im Jahr 1907, offiziell in Württemberg umbenannt wurde. Doch dieser Ort hatte bereits eine lange und bedeutsame Geschichte für das Haus Württemberg. Hier stand einst die Stammburg der Familie, die Burg Wirtemberg, deren Ruinen für den Neubau abgetragen wurden.

Der Auftrag für den Entwurf des Mausoleums ging an den renommierten Hofbaumeister Giovanni Salucci. Salucci, ein Italiener, der bereits für verschiedene Bauten am württembergischen Hof verantwortlich zeichnete, entwarf ein Gebäude, das sich stark an antiken Vorbildern orientierte und gleichzeitig eine tiefe Symbolik trug. Der Bau begann im Jahr 1820 und wurde vier Jahre später, im Jahr 1824, vollendet. Interessanterweise wurde bei den Bauarbeiten ein historischer Weihestein der ursprünglichen Burgkapelle gefunden. Dieser Stein, der als Spolie in die heutige Grabkapelle integriert wurde, ist ein einzigartiges Zeugnis. Er dokumentiert, dass der Wormser Bischof Adalbert II. die Burgkapelle bereits am 7. Februar 1083 weihte. Damit ist dieser Stein das früheste urkundliche Zeugnis für die Existenz des Herrscherhauses Württemberg. Ein kleines Detail, das die tiefe historische Verwurzelung dieses Ortes unterstreicht, lange bevor er zum Ort der königlichen Grabstätte wurde.

Architektur von Weltformat: Ein Hauch von Italien über Stuttgart

Die architektonische Gestaltung der Grabkapelle ist bemerkenswert und zeugt vom erlesenen Geschmack König Wilhelms I. und der Meisterschaft Saluccis. Die Bauform ist unverkennbar inspiriert von einem der berühmtesten Bauwerke der Renaissance-Architektur: der Villa Rotonda bei Vicenza, entworfen von Andrea Palladio. Wie bei Palladios Meisterwerk weist die Grabkapelle in allen vier Himmelsrichtungen identische Portiken auf. Diese säulengeschmückten Vorbauten verleihen dem Gebäude eine klassische Würde und Symmetrie. Im Zentrum dieser vier Portiken steht ein Zentralbau. Während dieser bei der Villa Rotonda kubisch geformt ist, wählte Salucci für die Grabkapelle eine zylindrische Form. Diese runde Form, gekrönt von einer Kuppel, unterstreicht den Charakter des Baus als Mausoleum und Ort der Ewigkeit.

Die Grabkapelle steht exponiert auf dem Hügel, umgeben von Weinbergen, und ihre Architektur ist ganz auf die Fernwirkung ausgerichtet. Mit ihren ins Kolossale weisenden Proportionen ist sie von weitem sichtbar und prägt die Silhouette des Neckartals. Diese bewusste Inszenierung des Baus in der Landschaft verstärkt seine Bedeutung als Denkmal und Wahrzeichen. Die klaren Linien, die harmonischen Proportionen und die Verwendung edler Materialien wie Sandstein und Marmor tragen zur zeitlosen Schönheit des Bauwerks bei.

Das Innere der Kapelle: Ein Raum der Besinnung und Kunst

Der Innenraum der Grabkapelle ist ebenso beeindruckend wie ihre äußere Erscheinung. Der Raum ist etwa 20 Meter hoch und hat einen Durchmesser von rund 24 Metern. Er wird von einer majestätischen Kuppel überspannt, durch deren Fenster Licht einfällt und den Raum sanft erhellt. Das zentrale Element des Innenraums sind vier Kolossalstatuen, die in Wandnischen aufgestellt sind. Diese Statuen stellen die vier Evangelisten dar: Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Sie sind, wie auch die Sarkophage im Untergeschoss, aus edlem Carraramarmor gefertigt.

Die künstlerische Ausführung dieser Statuen ist von höchster Qualität. Die Statue des Evangelisten Johannes stammt von Johann Heinrich Dannecker, einem der bedeutendsten württembergischen Bildhauer seiner Zeit. Dannecker schuf auch die Büsten von König Wilhelm I. und Königin Katharina, die ebenfalls in der Kapelle zu finden sind. Sein Schüler Theodor Wagner war an der Fertigung weiterer Statuen beteiligt. Zwei der Evangelistenstatuen entstanden nach Entwürfen des weltberühmten dänischen Bildhauers Bertel von Thorvaldsen, was die internationale Bedeutung des Projekts unterstreicht. Die Statue des Evangelisten Markus wurde von Bildhauer Johann Nepomuk Zwerger ausgeführt. Diese Zusammenkunft bedeutender Künstler schuf einen Innenraum, der nicht nur als Grabstätte dient, sondern auch als Museum für klassizistische Skulptur.

Ein weiteres zentrales Element im Inneren sind die Inschriften, die an den Wänden der Kapelle angebracht sind. Über dem Haupteingang im Westen steht der berührende Satz aus dem Korintherbrief: „Die Liebe höret nimmer auf.“ Dieser Satz, der die tiefe Verbundenheit Wilhelms zu Katharina ausdrückt, ist das emotionale Herzstück des Ortes. Auf der Rückseite (Osten) findet sich die Widmung des Königs an seine verstorbene Gemahlin: „Seiner Vollendeten Ewig Geliebten Gemahlin Catharina Paulowna Grosfürstin von Rußland hat Diese Ruhestätte Erbaut Wilhelm König von Württemberg im Jahr 1824.“ An der Nordseite steht ein Zitat aus der Offenbarung des Johannes: „Selig sind die Todten, die in dem Herrn sterben! Sie ruhen von ihrer Arbeit, denn ihre Werke folgen ihnen nach.“ An der Südseite ist ein Vers aus Psalm 68 zu lesen: „Wir haben einen Gott der da hilft und den Herrn Herrn der vom Todte errettet.“ Diese Inschriften verleihen dem Raum eine spirituelle Dimension und spiegeln die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod wider.

Die letzte Ruhestätte: Die Gruft

Im Untergeschoss der Grabkapelle befindet sich die Gruft, der eigentliche Ort der Bestattung. Hier ruhen die sterblichen Überreste von König Wilhelm I. und seiner geliebten Gemahlin Königin Katharina Pawlowna. Später wurde auch ihre gemeinsame Tochter, Marie Friederike Charlotte von Württemberg, dort bestattet. Die Sarkophage, ebenfalls aus edlem Carraramarmor gefertigt, stehen nebeneinander und symbolisieren die ewige Verbundenheit. Die schlichte Eleganz der Sarkophage passt zur Gesamtausstrahlung des Mausoleums – würdevoll, erhaben und auf das Wesentliche konzentriert.

Nutzung und Bedeutung heute

Obwohl als Mausoleum konzipiert, diente die Grabkapelle in den Jahren von 1825 bis 1899 auch als russisch-orthodoxes Gotteshaus. Diese Nutzung unterstreicht die Verbindung zum russischen Zarenhaus durch Königin Katharina, die eine Tochter des Zaren Paul I. war. Auch heute noch wird diese Tradition gepflegt: Jedes Jahr am Pfingstmontag findet in der Grabkapelle ein russisch-orthodoxer Gottesdienst statt, der Gläubige und Interessierte aus nah und fern anzieht.

Die Grabkapelle ist ein bedeutendes Kulturdenkmal und gehört zu den landeseigenen Monumenten Baden-Württembergs. Sie wird von der Einrichtung Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg betreut und ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Von Anfang April bis Ende November (vom 1. April bis 30. November) können Besucher die Kapelle besichtigen und die einzigartige Atmosphäre dieses Ortes erleben. Es werden Führungen angeboten, die tiefergehende Einblicke in die Geschichte, Architektur und die hier beigesetzten Persönlichkeiten geben. Für jüngere Besucher gibt es ein speziell konzipiertes Mitmachheft, das Kindern und Jugendlichen auf spielerische Weise die württembergische Geschichte näherbringt. Dies zeigt, dass die Grabkapelle heute nicht nur ein Ort der Erinnerung, sondern auch ein lebendiger Ort der Vermittlung von Geschichte und Kultur ist.

Vergleich: Grabkapelle vs. Villa Rotonda (Architektonische Merkmale)

Obwohl die Grabkapelle von der Villa Rotonda inspiriert ist, gibt es wichtige Unterschiede, die Saluccis eigenständige Interpretation zeigen.

MerkmalGrabkapelle auf dem WürttembergVilla Rotonda (Palladio)
FunktionMausoleum (Grabkapelle)Wohnhaus (Villa)
Zentralbau FormZylindrisch (Rund)Kubisch (Quadratisch)
Anzahl der Portiken4 (in allen Himmelsrichtungen)4 (in allen Himmelsrichtungen)
LageExponierter Hügel, FernwirkungHügel, harmonisch in Landschaft integriert
BaustilKlassizismus (inspiriert von Renaissance)Renaissance
Innenraum FokusSakral (Evangelisten, Inschriften, Grabstätte)Repräsentativ (Rotunde, Fresken)

Diese Tabelle verdeutlicht, wie Salucci Palladios Formensprache aufgriff und für den Zweck eines Mausoleums adaptierte, wobei er eine eigene, auf die sakrale Funktion und die exponierte Lage zugeschnittene Lösung fand.

Häufig gestellte Fragen zur Grabkapelle

Besucher und Interessierte haben oft ähnliche Fragen zur Grabkapelle. Hier beantworten wir einige davon:

  • Was genau ist die Grabkapelle auf dem Württemberg?
    Es ist ein Mausoleum, das von König Wilhelm I. von Württemberg für seine verstorbene zweite Gemahlin, Königin Katharina Pawlowna, errichtet wurde. Es dient als deren letzte Ruhestätte sowie für König Wilhelm I. selbst und ihre Tochter Marie Friederike Charlotte.
  • Wer ist Königin Katharina Pawlowna?
    Katharina Pawlowna war eine russische Großfürstin, Tochter von Zar Paul I., und die zweite Gemahlin von König Wilhelm I. von Württemberg. Sie war eine sehr beliebte und engagierte Königin.
  • Warum wurde die Grabkapelle gerade auf diesem Hügel gebaut?
    Der Hügel (heute Württemberg genannt) war der historische Stammsitz des Hauses Württemberg, wo einst die Burg Wirtemberg stand. König Wilhelm I. wählte diesen symbolträchtigen Ort, um seiner Gemahlin ein Denkmal zu setzen und gleichzeitig die historische Bedeutung des Ortes für seine Familie zu würdigen.
  • Wer hat die Grabkapelle entworfen?
    Der Entwurf stammt vom Hofbaumeister Giovanni Salucci.
  • In welchem Baustil ist die Grabkapelle errichtet?
    Der Stil ist der Klassizismus, stark inspiriert von der Renaissance-Architektur Andrea Palladios, insbesondere der Villa Rotonda.
  • Kann man die Grabkapelle besichtigen?
    Ja, die Grabkapelle ist für Besichtigungen geöffnet.
  • Wann kann ich die Grabkapelle besuchen?
    Die Öffnungszeiten sind saisonal begrenzt, in der Regel vom 1. April bis zum 30. November. Es empfiehlt sich, die genauen Öffnungszeiten vor einem Besuch auf der Website des Betreibers zu prüfen.
  • Finden in der Kapelle noch Gottesdienste statt?
    Ja, es findet traditionell einmal im Jahr, am Pfingstmontag, ein russisch-orthodoxer Gottesdienst statt. Ansonsten ist die Kapelle ein Museum und eine Gedenkstätte.
  • Wer ist neben König Wilhelm I. und Königin Katharina noch dort bestattet?
    Auch ihre gemeinsame Tochter, Marie Friederike Charlotte von Württemberg, ist in der Gruft beigesetzt.
  • Welche Bedeutung hat der Weihestein in der Kapelle?
    Der Weihestein ist ein Überrest der ursprünglichen Burgkapelle der Burg Wirtemberg und das früheste schriftliche Zeugnis für die Existenz des Hauses Württemberg aus dem Jahr 1083.

Die Grabkapelle auf dem Württemberg ist mehr als nur eine Grabstätte. Sie ist ein Ort, der Geschichte, Architektur, Kunst und tiefe menschliche Emotionen vereint. Sie erzählt die Geschichte einer königlichen Liebe, erinnert an die Ursprünge des Hauses Württemberg und bietet einen beeindruckenden Ausblick auf die umliegende Landschaft. Ein Besuch dieses besonderen Ortes ist eine Reise in die Vergangenheit und ein Erlebnis, das lange in Erinnerung bleibt. Das Engagement der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg sorgt dafür, dass dieses wertvolle Denkmal erhalten bleibt und für zukünftige Generationen zugänglich ist, um die Geschichte Württembergs und die Bedeutung dieses einzigartigen Bauwerks zu verstehen. Die Grabkapelle ist ein leuchtendes Beispiel für die Verbindung von persönlichem Gedenken und öffentlicher Geschichte.

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Bruno Auerei Leimen

Ich heiße Bruno Auerei Leimen und wurde 1979 in Heidelberg geboren. Seit über zwanzig Jahren widme ich mich leidenschaftlich der Entdeckung der kulinarischen Vielfalt Deutschlands. Nach meinem Studium der Literatur und des Journalismus an der Universität München habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, meine Liebe zum Schreiben mit meiner Neugier für authentische regionale Küche zu verbinden. Heute arbeite ich als Gastronomiekritiker, habe drei Bücher über kulinarische Reisen veröffentlicht und schreibe regelmäßig für renommierte Magazine. Besonders schlägt mein Herz für traditionelle Gerichte und handwerklich gebrautes Bier.

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