Wie alt ist Böhl-Iggelheim?

Böhl-Iggelheim: Geschichte, Einwohner und Religion

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Böhl-Iggelheim ist eine Gemeinde in der Pfalz, deren Geschichte tief in den Jahrhunderten verwurzelt ist. Die Entwicklung der beiden namensgebenden Ortsteile, Böhl und Iggelheim, verlief über lange Zeit parallel, geprägt von landwirtschaftlichem Leben, den Wirren der Kriege und Phasen des Wachstums und Wandels. Um die Frage nach dem 'Alter' der Gemeinde zu beantworten, muss man die Geschichte der einzelnen Siedlungen betrachten und ihre Entwicklung über die Jahrhunderte hinweg nachzeichnen, von den frühesten bekannten Aufzeichnungen bis in die heutige Zeit.

Wie alt ist Böhl-Iggelheim?
Böhl entstand im 7./8. Jahrhundert als fränkische Gründung und wurde 780 das erste Mal in einer Schenkungsurkunde im Lorscher Codex unter dem Namen Buhilo erwähnt. Der Name, der so viel wie „Anhöhe“ bedeutet, ist seit 1602 in der heutigen Form belegt. Iggelheim wurde wahrscheinlich im 7.

Die Anfänge der Siedlung

Die erste überlieferte Erwähnung, die eine konkrete Vorstellung von der Größe der Siedlung Böhl gibt, stammt aus dem Jahr 1550. Zu dieser Zeit wurden 110 Haushalte gezählt, was auf eine Einwohnerzahl von 400 bis 500 Personen schließen lässt. Diese frühen Siedler lebten hauptsächlich im Bereich der heutigen Kirchenstraße und wahrscheinlich auch in den Gebieten der Haupt- und Ludwigstraße. Diese Anordnung deutet auf eine frühe Form der Dorfstruktur hin, die sich über die Zeit weiterentwickelte.

Die darauffolgende Zeit brachte zunächst wenig Veränderung. Für das Jahr 1685 werden 75 Haushalte in Böhl genannt, was auf eine leichte Reduzierung oder zumindest Stagnation der Bevölkerungsgröße hindeutet. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts formte sich jedoch ein deutlicheres Siedlungsbild heraus. Das Straßenquadrat, begrenzt von Kirchenstraße, Hauptstraße, Ludwigstraße und Bismarckstraße, war zu diesem Zeitpunkt vollständig ausgebildet. Dies markiert eine Phase des inneren Wachstums und der Verdichtung der Bebauung im historischen Kern von Böhl.

Auch Iggelheim hat eine lange Geschichte als Siedlung. Der Ort entwickelte sich typischerweise als Straßendorf. Charakteristisch für diese Siedlungsform ist eine Hauptstraße, entlang der sich die Bebauung erstreckt, mit zentralen Punkten wie der Kirche an einem Ende und dem Rathaus am anderen. In Iggelheim war dies die Langgasse. Im 16. Jahrhundert, zur gleichen Zeit wie die erste Zählung in Böhl, lebten in Iggelheim schätzungsweise etwa 250 Einwohner. Ähnlich wie in Böhl dürfte sich diese Zahl im darauf folgenden Jahrhundert kaum verändert haben, was auf eine stabile, aber nicht stark wachsende ländliche Gemeinschaft hindeutet.

Die Entwicklung der Einwohnerzahlen

Die Bevölkerungsentwicklung beider Ortsteile nahm ab dem Ende des 18. Jahrhunderts Fahrt auf. Ein entscheidender Faktor war die Aufhebung der Zuzugsbeschränkungen im Jahr 1797. Dies ermöglichte eine deutlich dynamischere Bevölkerungsentwicklung.

In Böhl führte dies zu einem rapiden Anstieg der Einwohnerzahl. Bereits im Jahr 1785, kurz vor der Aufhebung der Beschränkungen, wurden 901 Einwohner gezählt. Nur wenige Jahre später, im Jahr 1815, hatte sich die Zahl auf 1200 erhöht. Dieser Trend setzte sich fort, und im Jahr 1840 lebten bereits 1595 Menschen in Böhl. Interessanterweise blieb die Einwohnerzahl sowie die räumliche Ausdehnung des Dorfes danach bis etwa 1900 weitgehend konstant. Im Jahr 1900 wurden 1752 Einwohner gezählt, was nur einen geringen Zuwachs über 60 Jahre darstellt. Dies könnte auf wirtschaftliche oder soziale Faktoren hindeuten, die das Wachstum in dieser Periode bremsten.

Anfang des 20. Jahrhunderts setzte in Böhl erneut eine Phase der Expansion ein. Die Siedlung dehnte sich insbesondere in Richtung Süden aus, zum Bahnhof hin, der an der neuen Eisenbahnstrecke zwischen Ludwigshafen und Neustadt lag. Die Anbindung an das Eisenbahnnetz eröffnete neue Möglichkeiten für Pendler und Handel und dürfte zum Wachstum beigetragen haben. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, im Jahr 1945, hatte Böhl 3064 Einwohner erreicht. In den Jahrzehnten nach dem Krieg wurden weitere Neubaugebiete erschlossen, sowohl zwischen der Bahnlinie und dem alten Ortskern als auch östlich davon. Diese rege Bautätigkeit führte zu einem weiteren Anstieg der Einwohnerzahl, die bis 1987 auf 3836 anwuchs.

Auch Iggelheim erlebte nach dem Pfälzischen Erbfolgekrieg und dem anschließenden Wiederaufbau eine Phase der Ausdehnung. Der weitere rapide Bevölkerungsanstieg im frühen 19. Jahrhundert spiegelte ebenfalls die Auswirkungen der Aufhebung der Zuzugsbeschränkungen wider. Wie Böhl verzeichnete auch Iggelheim danach eine Phase relativer Stagnation der Einwohnerzahl bis etwa 1900. Zu diesem Zeitpunkt lebten in Iggelheim rund 2200 Einwohner.

Anschließend setzte auch hier wieder ein starkes Bevölkerungswachstum ein. Ende des Ersten Weltkrieges hatte der Ort 2800 Einwohner, und bis 1938 stieg die Zahl auf 3412. Nach dem Zweiten Weltkrieg verdoppelte sich die bebaute Fläche von Iggelheim nochmals deutlich. Dies führte zu einem erheblichen Anstieg der Einwohnerzahl. Im Jahr 1968 lebten hier 5500 Einwohner, und bis 1987 stieg die Zahl weiter auf 6551. Die Zusammenlegung der beiden Gemeinden zu Böhl-Iggelheim im Jahr 1969 schuf eine größere Verwaltungseinheit, deren gemeinsame Einwohnerzahl die Summe der Entwicklungen in den einzelnen Ortsteilen widerspiegelt.

Einwohnerentwicklung im Überblick (Auswahljahre)

JahrBöhl (ca.)Iggelheim (ca.)Gesamt (ca.)
1550400-500250650-750
1785901--
18151200--
18401595--
1900175222003952
1938-3412-
Ende WK23064--
1968-5500-
19873836655110387

Hinweis: Die Tabelle enthält Schätzungen und einzelne verfügbare Datenpunkte für die jeweiligen Ortsteile. Eine durchgängige Vergleichbarkeit ist aufgrund der Datenlage nicht immer gegeben.

Die Religionslandschaft

Die religiöse Zusammensetzung der Bevölkerung ist ein weiterer wichtiger Aspekt der Geschichte und Gegenwart von Böhl-Iggelheim. Traditionell war die Region, wie viele Teile der Pfalz, von einer Mischung aus evangelischen und römisch-katholischen Konfessionen geprägt. Die verfügbaren Statistiken geben Einblick in die Verteilung der Glaubensrichtungen zu verschiedenen Zeitpunkten.

Mit Stand vom 30. Juni 2005 zeigte sich folgendes Bild: 46,7 % der Einwohner waren evangelisch, 32,9 % römisch-katholisch. Ein signifikanter Anteil von 20,4 % war konfessionslos oder gehörte einer anderen Glaubensgemeinschaft an. Dies verdeutlichte bereits zu diesem Zeitpunkt eine wachsende Diversifizierung der religiösen Zugehörigkeit.

Im Jahr 2013 hatten sich die Anteile leicht verschoben. 42,6 % der Einwohner waren evangelisch und 30,7 % katholisch. Der Trend zu einem geringeren Anteil der beiden großen Kirchen war erkennbar.

Die aktuellsten verfügbaren Zahlen vom 31. Januar 2023 bestätigen diesen Trend und zeigen eine weitere Verschiebung in der religiösen Landschaft. Zu diesem Zeitpunkt waren 34,8 % der Einwohner evangelisch und 25,1 % katholisch. Der Anteil der Personen, die konfessionslos sind oder einer anderen Glaubensgemeinschaft angehören, ist deutlich gestiegen und erreichte 40,1 %. Dies zeigt einen klaren Wandel in der religiösen Bindung der Bevölkerung über die letzten Jahrzehnte.

Die protestantischen Kirchengemeinden in Böhl und Iggelheim agieren unabhängig voneinander, obwohl sie zur Verbandspfarrei Schifferstadt, dem Kirchenbezirk Speyer und der Evangelischen Kirche der Pfalz gehören. Die evangelische Kirchengemeinde Böhl zählt etwa 1800 Mitglieder und wird von einem Pfarrer betreut. Die evangelische Kirchengemeinde Iggelheim ist mit rund 3000 Mitgliedern größer und wird ebenfalls von einem Pfarrer betreut. Zusätzlich gibt es die eigenständige „Evangelische Christusgemeinde Böhl-Iggelheim“, ehemals „Landeskirchliche Gemeinschaft Iggelheim“, mit etwa 40 Mitgliedern und einem eigenen Gemeindepastor. Insgesamt wird die Zahl der evangelischen Einwohner mit 4800 angegeben, was nicht exakt mit dem prozentualen Anteil von 2023 übereinstimmt, möglicherweise aufgrund unterschiedlicher Zählmethoden oder Bezugszeitpunkte.

Die Geschichte der jüdischen Gemeinde

Ein bewegendes Kapitel der Ortsgeschichte ist die Existenz und das tragische Ende der jüdischen Gemeinde in Böhl-Iggelheim. Ihre Ursprünge reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück. Im Jahr 1744 lebten in Iggelheim drei jüdische Familien, während in Böhl zu dieser Zeit erst eine Familie ansässig war. Die Bestattung ihrer Toten erfolgte auf dem jüdischen Friedhof im nahegelegenen Haßloch, da die Einrichtung eines eigenen Friedhofs vermutlich nicht möglich oder notwendig war.

In Böhl erreichte die Zahl der jüdischen Einwohner um 1848 ihren Höchststand mit 79 Personen, die in 15 Familien lebten. Danach setzte jedoch durch Aus- und Abwanderung ein schneller Rückgang ein. Bis 1910 hatten alle jüdischen Einwohner Böhl verlassen.

In Iggelheim wurde die höchste Zahl jüdischer Gemeindeglieder etwas später, im Jahr 1866, mit 44 Personen erreicht. Hier verlief die Aus- und Abwanderung nicht so stark wie in Böhl. Um 1900 wurden in Iggelheim noch 34 jüdische Personen gezählt, was auf eine stabilere, wenn auch kleine Gemeinschaft hindeutet.

Mit dem Beginn der NS-Zeit verschlechterte sich die Situation dramatisch. Im Jahr 1933 wurden in der gesamten Gemeinde Böhl-Iggelheim noch 16 jüdische Einwohner gezählt. Bis 1938 war diese Zahl auf 14 oder 15 Personen gesunken. Erst nach den erschütternden Ereignissen der Pogromnacht im November 1938, bei der jüdische Geschäfte, Einrichtungen und Gotteshäuser im ganzen Land angegriffen wurden, zogen einige der verbliebenen jüdischen Einwohner aus Furcht fort.

Die 1840 in Böhl eingeweihte Synagoge wurde während des Novemberpogroms 1938 geschändet und im Inneren völlig verwüstet. Obwohl sie nicht sofort niedergebrannt wurde, wurde sie später, im Jahr 1941, abgerissen. Dies markierte das Ende eines wichtigen religiösen und sozialen Zentrums der jüdischen Gemeinschaft in Böhl.

Das dunkelste Kapitel war die Deportation. Im Oktober 1940 wurden sieben Iggelheimer Juden in das Sammellager Camp de Gurs in Frankreich deportiert. Von dort wurden sie später in die Vernichtungslager im Osten gebracht und ermordet. Dies besiegelte das Ende der jüdischen Gemeinde in Böhl-Iggelheim.

Heute erinnern ein Gedenkstein an der Stelle der ehemaligen Synagoge in Böhl sowie im Jahr 2015 verlegte Stolpersteine an die während des Dritten Reichs deportierten und ermordeten jüdischen Bürger der Gemeinde. Diese Gedenkzeichen sind wichtige Erinnerungen an die verlorene Gemeinschaft und Mahnungen für die Zukunft.

Häufig gestellte Fragen

Wann wurde Böhl-Iggelheim gegründet?
Böhl-Iggelheim als politische Gemeinde entstand erst 1969 durch die Zusammenlegung der beiden Ortsteile Böhl und Iggelheim. Die Siedlungsgeschichte der einzelnen Orte reicht jedoch viel weiter zurück. Die erste überlieferte Einwohnerzahl für Böhl stammt aus dem Jahr 1550, während in Iggelheim im 16. Jahrhundert ebenfalls bereits Einwohner gezählt wurden. Man kann also sagen, dass die Wurzeln der Besiedlung mindestens bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen.

Wie hat sich die Einwohnerzahl von Böhl-Iggelheim entwickelt?
Die Einwohnerzahlen beider Ortsteile waren im 16. und 17. Jahrhundert relativ stabil und niedrig. Ein starkes Wachstum setzte nach der Aufhebung der Zuzugsbeschränkungen Ende des 18. Jahrhunderts ein. Nach einer Phase der Stagnation um 1900 gab es im 20. Jahrhundert, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg und durch die Ausweisung von Neubaugebieten, einen erneuten und deutlichen Anstieg der Bevölkerung in beiden Ortsteilen.

Welche sind die größten Religionsgemeinschaften in Böhl-Iggelheim?
Historisch waren die evangelische und die römisch-katholische Kirche die größten Konfessionen. Während sie auch heute noch bedeutende Anteile stellen, ist der Anteil der konfessionslosen Einwohner oder Angehöriger anderer Glaubensgemeinschaften in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen und bildet mittlerweile die größte Gruppe in der Gemeinde.

Gab es in Böhl-Iggelheim eine jüdische Gemeinde?
Ja, in Böhl-Iggelheim gab es eine jüdische Gemeinde, deren Geschichte bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Sie hatte ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert. Während der NS-Zeit wurde die Gemeinde verfolgt und ausgelöscht. Die Synagoge in Böhl wurde 1938 zerstört, und jüdische Einwohner wurden deportiert und ermordet.

Die Geschichte von Böhl-Iggelheim ist geprägt von Kontinuität und Wandel. Von den frühen ländlichen Siedlungen über Phasen des Wachstums und der Stagnation bis hin zu den tiefgreifenden Veränderungen des 20. Jahrhunderts, insbesondere im Hinblick auf Bevölkerungsstruktur und religiöse Vielfalt. Die Erinnerung an alle Teile dieser Geschichte, einschließlich der tragischen Ereignisse rund um die jüdische Gemeinde, ist wichtig für das Verständnis der Identität der heutigen Doppelgemeinde.

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Bruno Auerei Leimen

Ich heiße Bruno Auerei Leimen und wurde 1979 in Heidelberg geboren. Seit über zwanzig Jahren widme ich mich leidenschaftlich der Entdeckung der kulinarischen Vielfalt Deutschlands. Nach meinem Studium der Literatur und des Journalismus an der Universität München habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, meine Liebe zum Schreiben mit meiner Neugier für authentische regionale Küche zu verbinden. Heute arbeite ich als Gastronomiekritiker, habe drei Bücher über kulinarische Reisen veröffentlicht und schreibe regelmäßig für renommierte Magazine. Besonders schlägt mein Herz für traditionelle Gerichte und handwerklich gebrautes Bier.

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