Inmitten des Leipziger Stadtteils Gohlis, eingebettet zwischen der Menckestraße und dem Poetenweg, findet sich ein architektonisches Kleinod, das eine bewegte Geschichte erzählt: das Gohliser Schlösschen. Errichtet im Stil des Rokoko, repräsentiert es ein bürgerliches Landhaus und zählt zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Stadt Leipzig. Seine Lage ist reizvoll, nur etwa zwei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und über die Turmgutstraße sowie die Parthenbrücke lediglich 200 Meter vom beliebten Rosental entfernt. Das Schlösschen ist nicht nur ein Bauwerk von historischer Bedeutung, sondern auch ein lebendiger Ort der Kultur und Begegnung in der heutigen Zeit.

Die Ursprünge des Gohliser Schlösschens reichen zurück in die Mitte des 18. Jahrhunderts. In den Jahren 1755/56 ließ der wohlhabende Leipziger Ratsherr und Ratsbaumeister Johann Caspar Richter (1708–1770) im damaligen Dorf Gohlis, nordwestlich von Leipzig gelegen, ein Sommerpalais erbauen. Das Grundstück, auf dem dieser repräsentative Bau entstand, war das Ergebnis der Zusammenlegung zweier aneinandergrenzender Bauerngüter, die im Besitz seiner Ehefrau Christiana Regina Richter waren. Die genaue Urheberschaft des Entwurfs wird anhand vergleichender Studien dem Leipziger städtischen Baumeister Friedrich Seltendorff zugeschrieben. Es wird angenommen, dass Seltendorff dabei maßgeblich vom Dresdner Landbaumeister Johann Christoph Knöffel beeinflusst wurde.
Der Innenausbau des Schlösschens verzögerte sich erheblich, was den hohen Kontributionszahlungen geschuldet war, die Johann Caspar Richter als reicher Bürger Leipzigs im Siebenjährigen Krieg zu leisten hatte. Nach Richters Tod im Jahr 1770 wurde der Innenausbau von Johann Gottlob Böhme (1717–1780) vollendet, dem nächsten Ehemann der Witwe Richter und Professor für Geschichte an der Leipziger Universität. Während dieser Phase schuf der bedeutende Leipziger Maler und Bildhauer Adam Friedrich Oeser die beeindruckenden Gemälde im Festsaal des Schlösschens. Das Gohliser Schlösschen entwickelte sich in dieser Zeit zu einem wichtigen geistigen Zentrum. Zu seinen Gästen zählten Persönlichkeiten wie Georg Joachim Göschen und Christian Gottfried Körner. Auch Friedrich Schiller soll während seines Aufenthalts im Jahr 1785 in Gohlis das Schlösschen besucht haben.
Im Jahr 1793 ging das Gohliser Schlösschen testamentarisch in den Besitz der Stadt Leipzig über. Seine Geschichte spiegelte die großen Ereignisse der Zeit wider. Während der Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813 diente es zunächst als Quartier für hohe Militärs, bevor es zuletzt als Militärhospital genutzt wurde. Im Jahr 1832 verkaufte der Rat der Stadt das Anwesen an die Familie von Alvensleben. Von dieser gelangte es in der nächsten Generation an den Leipziger Kaufmann Christoph Georg Conrad Nitzsche. Erst im Jahr 1906 wurde die Stadt Leipzig endgültig wieder Eigentümerin des Bauwerks.
Nach einer umfassenden Sanierung in den Jahren 1934/35 wurde das Schlösschen unter dem Namen „Haus der Kultur“ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und für diverse kulturelle Veranstaltungen genutzt. Von 1951 bis 1985 beherbergte das Gebäude zudem das renommierte Bach-Archiv Leipzig. Eine weitere Generalsanierung, die von 1990 bis 1998 dauerte, hatte zum Ziel, das Gebäude weitgehend in seinen ursprünglichen Zustand des 18. Jahrhunderts zurückzuversetzen. Ab 1998 wurde das Haus vom Kulturamt der Stadt Leipzig betrieben. Ende 2003 führten jedoch Sparmaßnahmen zur vorübergehenden Schließung. Zwischen 2004 und 2020 übernahm der Freundeskreis Gohliser Schlösschen e. V. den Betrieb der Anlage.
Seit dem 1. April 2021 wird das Gohliser Schlösschen von der neu gegründeten Gohliser Schlösschen | Musenhof am Rosental gemeinnützige GmbH betrieben. Das zentrale Ziel der neuen Betreiber ist es, das kulturhistorisch bedeutende Gebäude und den dazugehörigen Barockgarten unter strenger Einhaltung der Denkmalschutzauflagen in seiner originalen Bausubstanz zu erhalten. Gleichzeitig soll die gesamte Schlossanlage einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies wird durch kulturell ansprechende und abwechslungsreiche Veranstaltungsformate, flexible Raumangebote und bedarfsgerechte Öffnungszeiten realisiert. Die Betreiber verfolgen die Vision, die heitere Stimmung und Leichtigkeit des Rokoko zu transportieren und das Gohliser Schlösschen zu einem Zentrum gesellschaftlichen Lebens und bürgerlicher Verantwortung zu entwickeln.
Die Architektur des Gohliser Schlösschens ist typisch für ein bürgerliches Landhaus der Zeit. Der Hauptbau ist eine etwa 40 Meter breite Dreiflügelanlage. Die Seitenflügel zur Hofseite sind dabei mit nur vier Metern Länge eher kurz gehalten. Der Risalit, der Mittelteil des Gebäudes, zeigt zur Hofseite eine ebene Gestaltung, während er zur Gartenseite hin nach außen gewölbt ist. Beide Seiten des Risalits sind durch Lisenen leicht gegliedert. Über dem Mittelteil erhebt sich ein 56 Meter hoher turmartiger Aufbau, der dem Anwesen früher den Namen Turmgut gab. Aufgrund der Hanglage verfügt das Gebäude auf der Hofseite über ein Erd- und Obergeschoss, während auf der Gartenseite zusätzlich ein Sockelgeschoss vorhanden ist. Schmuckelemente des Rokoko, die sogenannten Rocaillen, finden sich am Risalit und am Turmaufbau.
Im Inneren des Mittelteils befinden sich zur Gartenseite hin übereinander drei repräsentative Räume. Im Sockelgeschoss liegt der Stein- oder Gartensaal, ein charakteristischer Gewölberaum. Darüber folgt der Salon und im Obergeschoss der berühmte Festsaal. Das Deckengemälde dieses Saales, vollendet im Jahr 1779, zeigt eine Darstellung des „Lebenswegs der Psyche“, geschaffen von Adam Friedrich Oeser. Neben der Tür im Festsaal sind zudem zwei abendliche Phantasielandschaften desselben Malers zu sehen. Der Festsaal dient heute als wichtiger Veranstaltungsort für Konzerte und andere kulturelle Ereignisse.
Die Zimmer, die sich neben diesen Sälen befinden, sind über einen schlichten Gang auf der Hofseite zugänglich. Diese Räume beherbergen heute Ausstellungsstücke zur Geschichte des Hauses sowie Beispielmöblierungen. Von der ursprünglichen Innenausstattung ist aufgrund der wechselvollen Geschichte des Schlösschens nicht viel erhalten geblieben. Als bürgerliches Landhaus unterscheidet sich das Gohliser Schlösschen von herrschaftlichen Palais durch das Fehlen repräsentativer Entreeräume oder eines prunkvollen Treppenhauses. Interessanterweise ist der Innenausbau, der erst lange nach der Errichtung des Rohbaus erfolgte, nicht mehr ausschließlich vom Rokoko geprägt, sondern zeigt bereits deutliche Einflüsse des Klassizismus.
Zum Garten hin schließen sich an den Hauptbau zwei etwa 50 Meter lange, eingeschossige Anbauten an. Der östliche Anbau dient heute als Café. In ihm waren früher eine Kegelbahn und ein Billardzimmer untergebracht. Der westliche Anbau beherbergte einst die Orangerie. Der Garten selbst ist als Barockgarten gestaltet und enthält einen zentralen Zierbrunnen sowie mehrere Statuen. Darunter befindet sich auch das Standbild des ersten sächsischen Königs Friedrich August I., ebenfalls ein Werk von Adam Friedrich Oeser. Diese Statue befand sich bis 1937 auf dem Königsplatz, dem heutigen Wilhelm-Leuschner-Platz, bevor sie ihren Platz im Garten des Schlösschens fand.
Das Gohliser Schlösschen nimmt eine besondere Stellung unter den historischen Bauwerken Leipzigs ein. Von allen großbürgerlichen Schloss- und Gutsanlagen der Barockzeit, die einst in und um die reiche Handelsstadt Leipzig verstreut lagen, ist das Gohliser Schlösschen das letzte noch erhaltene. Viele andere prachtvolle Bauten, auch in der Innenstadt, fielen um 1900 der zunehmenden Grundstücksspekulation zum Opfer. Das Gohliser Schlösschen entging diesem Schicksal und blieb so als einzigartiges Zeugnis der bürgerlichen Kultur und Architektur des 18. Jahrhunderts erhalten.
Heute bietet das Gohliser Schlösschen ein vielfältiges Angebot für Besucher. Neben den bereits erwähnten kulturellen Veranstaltungen wie Konzerten, Theateraufführungen und Ausstellungen, können die Räumlichkeiten auch für private und geschäftliche Feiern gemietet werden. Besonders beliebt ist der Oesersaal im Obergeschoss, der für standesamtliche und freie Trauungen zur Verfügung steht und dem wichtigsten Tag im Leben vieler Paare einen historischen und stilvollen Rahmen verleiht. Für Trauerfeiern bietet der Steinsaal im Sockelgeschoss, der direkt von der Gartenanlage aus zugänglich ist, einen würdigen Rahmen. Im östlichen Anbau lädt das Kulturcafé zum Verweilen ein und bietet gastronomische Bewirtschaftung. Regelmäßig finden auch Führungen durch das Schlösschen und seinen Garten statt, die Einblicke in die Architektur, Geschichte und die Geschichten seiner Bewohner und Besucher geben.
Häufig gestellte Fragen zum Gohliser Schlösschen
Wo genau liegt das Gohliser Schlösschen?
Das Schlösschen befindet sich im Leipziger Stadtteil Gohlis, zwischen der Menckestraße und dem Poetenweg. Es ist etwa zwei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und nah am Rosental Park gelegen.
Wer ließ das Gohliser Schlösschen erbauen?
Es wurde im Auftrag des Leipziger Ratsherrn und Ratsbaumeisters Johann Caspar Richter in den Jahren 1755/56 als Sommerpalais errichtet.
Welchen Baustil repräsentiert das Schlösschen?
Der Bau ist im Stil des Rokoko gehalten, wobei der spätere Innenausbau auch Einflüsse des Klassizismus zeigt.
Welche berühmten Persönlichkeiten waren im Schlösschen zu Gast?
Während der Zeit von Johann Gottlob Böhme war das Schlösschen ein Treffpunkt für Gelehrte und Künstler. Zu den bekannten Gästen zählen Georg Joachim Göschen, Christian Gottfried Körner und Friedrich Schiller.
Was kann man heute im Gohliser Schlösschen erleben?
Heute ist das Schlösschen ein lebendiges Kulturzentrum. Es finden Konzerte, Theateraufführungen, Ausstellungen, Hochzeiten und Trauerfeiern statt. Es gibt ein Café und Räume können für Veranstaltungen gemietet werden. Auch Führungen werden angeboten.
Warum ist das Gohliser Schlösschen so einzigartig?
Es ist das einzige noch erhaltene bürgerliche Landhaus aus der Barockzeit in und um Leipzig, das nicht der Grundstücksspekulation zum Opfer fiel.
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