Venedig übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus, nicht nur mit seinen Kanälen und historischen Palästen, sondern auch mit der Verlockung seiner Küche. Doch wie findet man in dieser weltberühmten Stadt, die von unzähligen Lokalen gesäumt ist, die wirklich authentischen und qualitativ hochwertigen Erlebnisse? Die Frage „Wie viele Restaurants hat Venedig eigentlich?“ ist schwer zu beantworten. Die Zahl ist riesig und ständig im Wandel, doch entscheidender als die schiere Menge ist die Suche nach jenen Orten, die mit Leidenschaft und Können kochen. Unsere Erkundungstour führte uns tief in die Gassen und über die Brücken, abseits der offensichtlichen Pfade, auf der Suche nach dem wahren Geschmack Venedigs.

Ein Viertel, das sich bei dieser Suche als besonders ergiebig erwies, ist Castello. Es gilt als das größte Sestiere Venedigs und beherbergt, so scheint es, die meisten der tatsächlich noch bezahlbaren und zugleich qualitativen Wirtshäuser der Lagunenstadt. Hier mischt sich das Alltagsleben der Venezianer mit der Entdeckungslust der Besucher, die bereit sind, ein paar Minuten Fußweg vom Markusplatz in Kauf zu nehmen. Genau hier, in diesem Labyrinth aus kleinen Plätzen und engen Gassen, verbirgt sich das kulinarische Herz, das wir suchten.
Kulinarische Entdeckungen in Castello
Unsere Reise durch Castello führte uns zu mehreren bemerkenswerten Adressen, die unterschiedliche Facetten der venezianischen Gastronomie zeigen – von bodenständig und gut bis hin zu innovativ und überraschend.
Die Taverna Scalinetto: Tradition mit kleinen Abstrichen
Auf halbem Weg zwischen dem belebten Markusplatz und den Giardini, wo die berühmte Kunst-Biennale stattfindet, liegt die Taverna Scalinetto (campo bandiera e moro, 3803). Schon beim Betreten fällt die überbordende Dekoration ins Auge: Fischernetze, Muscheln und allerlei maritimer Klimbim zieren die Wände und Decken. Zugegeben, diese Art von Dekor ist nicht jedermanns Sache und wirkt auf mich persönlich eher abschreckend. Man könnte fast befürchten, in einer Touristenfalle gelandet zu sein. Doch glücklicherweise wird man hier schnell eines Besseren belehrt, sobald das Essen auf den Tisch kommt.
Die Küche im Scalinetto konzentriert sich auf das, was Venedig am besten kann: hervorragende Fisch- und Pastagerichte. Die Auswahl ist klassisch venezianisch, aber die Zubereitung zeigt Handwerk. Besonders hervorzuheben sind:
- Spaghetti Vongole mit Bottarga: Ein Klassiker, hier mit dem zusätzlichen, salzigen Kick von Bottarga (getrocknetem Fischrogen).
- Schwarze Ravioli mit Fischfüllung: Eine optisch ansprechende und geschmacklich intensive Variante der gefüllten Pasta.
- Gnocchi mit Perlhuhn: Eine etwas ungewöhnlichere, aber sehr gelungene Kombination, die zeigt, dass auch Fleisch auf der Karte Beachtung verdient.
- Radicchio-Risotto mit scharfer Wurst: Eine herzhafte und würzige Option, die die Qualität des Risottos unter Beweis stellt.
Der absolute Höhepunkt unseres Besuchs war jedoch der Fisch. Paolo, der Gastgeber oder Kellner, serviert den Branzino (Wolfsbarsch) in der Salzkruste. Dieses Gericht erfordert Präzision in der Zubereitung. Paolo klopft die Salzkruste direkt am Tisch ab, eine kleine Show für sich. Und das Ergebnis? Der Fisch ist genau am Punkt gegart – saftig, zart und voller Geschmack. Ja, genau so etwas will ich in Venedig erleben: perfekte Produktqualität, traditionell zubereitet, trotz vielleicht fragwürdiger Dekoration.
Hostaria Castello: Junge Gastronomen, moderne Akzente
Nicht weit entfernt, ebenfalls im Viertel Castello, findet sich die Hostaria Castello (Salizada S. Antonin, 3476). Der Begriff „Hostaria“ deutet oft auf einen etwas gehobeneren Anspruch hin, im Vergleich zur einfachen Trattoria oder Taverna, während sie weniger formell ist als ein Ristorante. Hier sind zwei junge Gastronomen am Werk, die einen wirklich tollen Job machen. Ihre Philosophie lässt sich als Cucina Veneziana Moderna beschreiben. Sie servieren ihre Kreationen auf schlichten Holztischen, was eine angenehm ungezwungene Atmosphäre schafft.
Die Karte geht über die allgegenwärtige Pasta plus Pesce hinaus und bietet kreative Interpretationen lokaler Produkte. Einige der Gerichte, die uns begeisterten, waren:
- Gebratener Tintenfisch mit Kartoffelschaum und Olivenpulver: Eine moderne Kombination von Texturen und Aromen.
- Gnocchi mit Kabeljau und Erbsen: Eine Verfeinerung eines traditionellen Themas.
- Spanferkel mit Rosmarin und Polenta: Ein Gericht, das zeigt, dass die Hostaria auch bei Fleischgerichten überzeugt und die Polenta, ein Grundnahrungsmittel Norditaliens, gekonnt einsetzt.
Diese Hostaria ist ein Beweis dafür, dass die venezianische Küche lebendig ist und sich weiterentwickelt, ohne ihre Wurzeln zu vergessen. Hier spürt man die Leidenschaft und den Wunsch, dem Gast etwas Besonderes zu bieten.
Local: Mut zur Innovation und ein Wermutstropfen beim Wein
Fast direkt daneben, nur durch eine kleine Brücke getrennt, liegt das Restaurant Local (Salizzada dei Greci, 3303). Hier geht Gastgeberin Benedetta noch einen Schritt weiter als in der Hostaria Castello. Das Konzept ist noch gewagter, die Kombinationen mutiger, aber – und das ist entscheidend – sie sind meistens sehr gelungen. Das Local repräsentiert eine neue Generation der venezianischen Gastronomie, die frische Ideen in die oft als etwas verstaubt empfundene lokale Küche bringt.
Die Speisekarte liest sich wie eine Entdeckungsreise:
- Tataki vom Lagunenfisch mit Fenchel und Apfel: Eine leichte, frische Vorspeise, die lokale Produkte neu interpretiert.
- Ravioli mit roten Beeten und Eierschwammerln: Eine farbenfrohe und geschmacksintensive Kombination, die Erdige und Pilznoten vereint.
- Aal mit Mais und Wasabi: Eine kühne Mischung aus Süße, Schärfe und dem reichen Geschmack des Aals.
- Wachtel mit Feige und Fois Gras: Ein luxuriöses Gericht, das süße und herzhafte Elemente verbindet.
Ja, so etwas hat der etwas verstaubten Küche Venedigs gefehlt. Das Local zeigt, dass man mit Kreativität und hochwertigen Zutaten überraschende und aufregende Gerichte schaffen kann, die dennoch einen Bezug zur Region haben. Der Besuch hier war kulinarisch ein echtes Highlight.
Allerdings gab es im Local einen nicht zu unterschätzenden Wermutstropfen: die Weinpreise, speziell bei den glasweise ausgeschenkten Produkten. Die Weine aus dem Friaul und Venetien, die angeboten werden, sind an sich ausgezeichnet, aber die Preisgestaltung ist schlichtweg absurd überteuert. 15 Euro für zwei Deziliter eines „normalen“ Pinot Blanc empfand ich als Zumutung. Angesprochen auf die hohen Preise, erklärte die Chefin Benedetta mit treuherzigem Blick: „Wir hatten schwere Zeiten in der Pandemie.“ Man versteht natürlich die Notwendigkeit, nach schwierigen Monaten wieder auf die Beine zu kommen. Doch bei der Refinanzierung der harten Monate darf man es auch nicht übertreiben und die Gäste mit Preisen vergraulen, die in keinem Verhältnis stehen. Dieses Detail trübte den ansonsten exzellenten Gesamteindruck leider etwas.
Häufig gestellte Fragen zur Gastronomie in Venedig
Bei der Planung einer Reise nach Venedig und der Suche nach den besten Restaurants tauchen oft ähnliche Fragen auf. Hier versuchen wir, einige davon basierend auf unseren Erfahrungen zu beantworten.
Wie viele Restaurants gibt es in Venedig?
Eine genaue Zahl ist schwer zu nennen. Venedig ist eine Stadt mit einer sehr hohen Dichte an Lokalen aller Art – von kleinen Bars (Bacari) bis zu gehobenen Restaurants. Die Zahl schwankt ständig durch Neueröffnungen und Schließungen. Wichtiger als die exakte Anzahl ist die Tatsache, dass es eine riesige Auswahl gibt, die von sehr touristischen bis hin zu authentischen Lokalen reicht. Eine gezielte Recherche abseits der Hauptrouten ist daher unerlässlich.
Wo finde ich bezahlbare Restaurants in Venedig?
Wie unsere Erkundung gezeigt hat, ist das Viertel Castello ein sehr guter Anlaufpunkt. Hier finden sich viele Wirtshäuser, die sowohl von Einheimischen frequentiert werden als auch faire Preise bieten. Auch in anderen weniger zentralen Sestieri wie Cannaregio oder Dorsoduro (abseits der Universitätsgegend) kann man fündig werden. Die Faustregel: Je weiter weg vom Markusplatz, desto größer die Chance auf authentische Erlebnisse zu moderaten Preisen.
Besteht die venezianische Küche nur aus Pasta und Fisch?
Nein, absolut nicht! Während Fisch und Meeresfrüchte aufgrund der Lage in der Lagune eine zentrale Rolle spielen (man denke an Sarde in Saor oder Spaghetti Vongole), bietet die venezianische Küche viel mehr. Es gibt traditionelle Fleischgerichte, Risotti in vielen Variationen (auch mit Gemüse oder Fleisch), Polenta und köstliche Süßspeisen. Wie die Beispiele der Hostaria Castello und des Local zeigen, gibt es auch eine lebendige Szene, die traditionelle Zutaten in moderne und innovative Gerichte verwandelt.
Was ist der Unterschied zwischen Taverna, Hostaria und Ristorante?
Diese Begriffe können sich überschneiden, aber grob gesagt: Eine Taverna war ursprünglich ein einfacher Ausschank, heute oft ein rustikales Lokal mit einfacher, bodenständiger Küche. Eine Hostaria war traditionell ein Ort, der auch Unterkunft bot (wie ein Gasthaus), heute oft ein Restaurant, das etwas gehobener ist als eine Taverna, aber weniger formell als ein Ristorante. Ein Ristorante ist in der Regel das formellste und oft teuerste Lokal mit einem breiteren Serviceangebot und komplexeren Gerichten.
Sind die Weinpreise in Venedig immer so hoch?
Leider können die Preise für Wein, insbesondere glasweise in touristischen Gebieten oder in Lokalen mit gehobenem Anspruch, recht hoch sein. Unser Erlebnis im Local mit 15 Euro für 2dl Pinot Blanc war extrem, aber Preise um 8-12 Euro pro Glas sind in besseren Restaurants nicht unüblich. Eine gute Strategie ist, nach dem Hauswein (Vino della Casa) zu fragen, der oft in Karaffen serviert wird und deutlich günstiger ist, oder eine ganze Flasche zu bestellen, wenn man zu zweit oder dritt ist. Auch der Genuss eines „Spritz“ oder eines einfachen Weins im Bacaro (Stehbar) ist eine günstigere Alternative.
Fazit: Venedigs Küche lebt
Unsere Streifzug durch Venedigs Gastronomie, insbesondere im Viertel Castello, hat gezeigt: Die Stadt hat weit mehr zu bieten als überteuerte Touristenfallen. Man muss bereit sein, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und sich auf die Suche zu machen. Von der verlässlichen, klassischen Küche im Scalinetto (trotz fragwürdiger Deko) über die spannende Cucina Moderna der Hostaria Castello bis hin zu den mutigen, innovativen Kreationen im Local – Venedig bietet ein reiches kulinarisches Spektrum. Die Herausforderung liegt darin, die Juwelen zu finden und dabei vielleicht den einen oder anderen überteuerten Schluck Wein in Kauf zu nehmen. Aber die Belohnung – ein wirklich köstliches venezianisches Essen, zubereitet mit Leidenschaft und Können – ist die Suche allemal wert.
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