Wie alt ist das Schnoorviertel in Bremen?

Schnoorviertel Bremen: Geschichte und Charme

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Das Schnoorviertel in Bremen ist mehr als nur ein Stadtteil – es ist eine Reise in die Vergangenheit. Mit seinen engen Gassen, den malerischen kleinen Häusern und dem unverwechselbaren Charme zieht dieses historische Quartier jährlich Tausende von Besuchern in seinen Bann. Es ist ein Ort, an dem die Geschichte Bremens auf Schritt und Tritt lebendig wird und der eine ganz besondere Atmosphäre ausstrahlt.

Wie heißt das Gängeviertel in Bremen?
Der Schnoor – auch das Schnoorviertel genannt (von niederdeutsch Schnoor, Snoor = Schnur) – ist ein bis in das Hochmittelalter zurückreichendes Gängeviertel in der Altstadt Bremens und zugleich der Name der Straße Schnoor in diesem Viertel.

Die Wurzeln des Schnoors: Ein Name mit Geschichte

Der Name „Schnoor“ stammt aus dem Niederdeutschen und bedeutet „Schnur“ oder „Tau“. Diese Bezeichnung ist eng mit der ursprünglichen Nutzung des Viertels verbunden. In dieser Gegend, die direkt am früheren Seitenarm der Weser, der Balge, lag, waren einst viele Handwerker ansässig, die mit dem Schiffbau und der Schifffahrt zu tun hatten. Ein Bereich war den Seilern und Tauwerkern vorbehalten, deren Arbeit die Seile und Taue für die Schiffe hervorbrachte – daher der Name Schnoor. Gleich daneben fertigten Drahtzieher und Kettenschmiede ihre Waren, was der Straße „Lange Wieren“ (von niederdeutsch „Wiere“ = Draht) ihren Namen gab. Diese Namen erinnern noch heute an das geschäftige Treiben der frühen Bewohner, die eng mit dem Wasser verbunden waren.

Eine Zeitreise durch die Jahrhunderte

Die Geschichte des Schnoors reicht weit zurück. Erste schriftliche Erwähnungen des Gebiets finden sich bereits im 13. Jahrhundert. Damals wurde am Rande des heutigen Viertels ein Franziskanerkloster gegründet, dessen Kirche, die heutige katholische Kirche St. Johann, noch erhalten ist. Diese beeindruckende turmlose Hallenkirche im Stil der Backsteingotik wurde im späten 14. Jahrhundert erbaut und ist eines der ältesten erhaltenen Bauwerke im Schnoor.

Noch älter sind Teile der mittelalterlichen Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert, deren Überreste man heute noch in einigen Gebäuden entdecken kann, beispielsweise im „Weihnachtsladen“ an der Marterburg. Diese Funde zeugen von der frühen Bedeutung des Gebiets als Teil der befestigten Stadt Bremen.

Die Balge spielte eine zentrale Rolle für das Viertel. Als direkter Zugang zum Wasser ermöglichte sie den dort lebenden Flussfischern, Schiffern und Handwerkern, ihre Arbeit zu verrichten und Waren zu transportieren. Die kleinen, dicht gedrängten Häuser waren typisch für dieses „Arme-Leute-Viertel“. Im Laufe der Jahrhunderte versandete die Balge jedoch und wurde schließlich im 19. Jahrhundert vollständig zugeschüttet. Heute erinnern nur noch Straßennamen und Bodenplatten an diesen einst wichtigen Wasserlauf.

Architektonische Zeugen vergangener Zeiten

Trotz seiner langen Geschichte sind viele der heute sichtbaren Gebäude jüngeren Datums, stammen aber dennoch aus vergangenen Jahrhunderten. Die ältesten profanen, also nicht-kirchlichen, Bauwerke im Schnoor sind das Haus Schnoor 15 (das sogenannte Brasilhaus) aus dem Jahr 1402 und das Packhaus Schnoor 2 von 1401. Das Brasilhaus wurde 1512 über einem mittelalterlichen Gewölbe errichtet und erhielt seine heutige Fassade um 1600. Andere bemerkenswerte Häuser wie Schnoor 9 (von 1621) zeigen Details aus dem 18. Jahrhundert, darunter Utluchten (kleine Erker), Sonnenuhren und verzierte Pforten.

Ein besonders interessantes Beispiel ist das Haus Schnoor 38, das möglicherweise aus dem 16. Jahrhundert stammt. Es besitzt eine Ladeluke am Giebel und einen zweigeschossigen Erker. Durch ein beeindruckendes Renaissanceportal gelangt man hier in einen sehr schmalen Gang, der zur „Wüsten Stätte“ führt. Dieser Name erinnert an einen Brand im Jahr 1659, nach dem das Gelände lange Zeit unbebaut blieb. Heute steht dort unter anderem ein Fachwerkhaus mit einer Teestube, das nach historischen Vorlagen neu errichtet wurde.

Zahlreiche Häuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind weitgehend in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben. Sie vermitteln einen lebendigen Eindruck vom barocken Leben im Viertel. Auch hier verraten Straßennamen viel über die frühere Nutzung, wie der Stavendamm, wo sich die erste öffentliche Badestube Bremens befand. Eine Legende erzählt sogar von einem unterirdischen Gang, durch den ein Bischof heimlich die Badestube besuchen konnte – angeblich endete dieser Gang im Schifferhaus.

Vom Arme-Leute-Viertel zur Touristenattraktion

Aufgrund der extrem kleinen Grundstücke und der engen Bebauung entwickelte sich der Schnoor Anfang des 20. Jahrhunderts zu einem typischen Arme-Leute-Viertel. Während in anderen Teilen Bremens große Wohngrundstücke entstanden, standen den Bewohnern im Schnoor oft nur rund sechzig Quadratmeter zur Verfügung. Die engen Gassen waren für den aufkommenden Autoverkehr praktisch unpassierbar, was zur Isolation des Viertels beitrug.

Glücklicherweise blieb der Schnoor im Zweiten Weltkrieg weitgehend von den schweren Zerstörungen verschont, die andere Teile der Bremer Altstadt trafen. Doch nach dem Krieg befanden sich viele der historischen Gebäude in einem schlechten Zustand, und die Bewohner, oft mittellos, hatten nicht die Mittel für notwendige Reparaturen. Dies führte zu Plänen der Stadt in den 1950er Jahren, das Viertel abzureißen, um Platz für moderne Gebäude, insbesondere für Banken und Versicherungen, zu schaffen.

Gegen diese Abrisspläne regte sich jedoch Widerstand. Der Denkmalpfleger Rudolf Stein und zahlreiche engagierte Bewohner des Schnoors kämpften für den Erhalt des historischen Quartiers. Auch Richard Boljahn, eine einflussreiche Persönlichkeit in Bremen, unterstützte schließlich die Erhaltung, obwohl seine Architekten ursprünglich modernere Bauweisen bevorzugten. Die Traditionalisten setzten sich durch und konnten die meisten Häuser erhalten, wobei beim Wiederaufbau und der Sanierung auch historische Bauteile aus zerstörten Gebäuden der Altstadt verwendet wurden. Dieser Kompromiss sicherte das Überleben des Schnoors.

Ein wichtiger Schritt zum Schutz des Viertels war der Beschluss eines Ortsstatuts am 3. Februar 1959. Unter der Leitung von Karl Dillschneider begann die Denkmalpflege in Zusammenarbeit mit den Hauseigentümern und der Stadt die umfassende Sanierung der rund hundert historischen Gebäude. Baulücken wurden geschlossen, und finanzielle Zuschüsse sowie die Bereitstellung geborgener historischer Baumaterialien unterstützten den Prozess. Sämtliche Umbauten wurden von der Denkmalpflege begleitet und kontrolliert, um den historischen Charakter zu bewahren.

Um das Zusammenleben von Wohnen und Gewerbe zu regeln und den Charakter des Viertels zu schützen, wurde 1981 ein Bebauungsplan aufgestellt. Dieser begrenzte unter anderem die Anzahl der Gaststätten, um eine Überkommerzialisierung zu verhindern. Heute sind an 14 Standorten gastronomische Betriebe zugelassen, die seit Jahrzehnten das Viertel beleben.

Wie heißt das alte Viertel in Bremen?
Der Schnoor oder auch das Schnoorviertel zählt zu Bremens absoluten Highlights. Nur ein paar hundert Meter vom Bremer Marktplatz entfernt, begeistert das einzigartige und zugleich älteste Quartier der Stadt sowohl die Einheimischen selbst immer wieder aufs Neue als auch zahlreiche Besucher*innen aus aller Welt.

Die Bemühungen um den Erhalt wurden maßgeblich von Persönlichkeiten wie Wolfgang Loose unterstützt, der das Schnoor-Archiv aufbaute, welches die Entwicklung des Viertels dokumentiert. Auch private Initiativen wie die „Gesellschaft der Schnoorfreunde e. V.“ trugen und tragen zum Schutz und zur Pflege des Quartiers bei.

Am Ostrand des Schnoors, an der Marterburg, wo einst Mehlsilos standen, wurden nach Entwürfen von Wolfram Goldapp und Thomas Klumpp bunte, postmoderne Häuser errichtet. Diese nehmen die Strukturen der historischen Bebauung auf und setzen sie auf moderne Weise fort, was eine interessante architektonische Ergänzung darstellt.

Der Schnoor heute: Ein lebendiges Zentrum

Heute ist der Schnoor eine der Hauptattraktionen Bremens und ein pulsierendes Zentrum für Kunsthandwerk, Kultur und Gastronomie. In den kleinen Häusern und entlang der Gassen finden sich zahlreiche Kunsthandwerkbetriebe – darunter eine Glasbläserei, die man bei der Arbeit beobachten kann – sowie Galerien, kleine Museen und Antiquitätengeschäfte. Gemütliche Cafés und vielfältige Restaurants laden zum Verweilen ein und bieten kulinarische Erlebnisse in historischem Ambiente.

Kulturelle Einrichtungen haben ebenfalls im Schnoor ihren Platz gefunden. Das Institut für niederdeutsche Sprache hat hier seit 1973 seinen Sitz. Früher gab es ein eigenes Schnoor-Archiv und ein privates Museum im Schifferhaus. Von 2005 bis 2018 beherbergte das Viertel ein Antikenmuseum. Auch das Travestietheater von Madame Lothár hatte hier lange seinen bekannten Standort, heute wird dort das Teatro Magico als Eventtheater betrieben. Im modernen Anbau des ehemaligen Jakobus-Packhauses finden regelmäßig Theateraufführungen statt. Seit 2006 bietet das Bremer Geschichtenhaus im St.-Jakobus-Packhaus eine interaktive Zeitreise durch die Bremer Stadtgeschichte mit Darstellern in historischen Kostümen.

Der Schnoor hat sich somit von einem bescheidenen Wohnviertel zu einem lebendigen Ort entwickelt, der Geschichte, Kultur, Handwerk und Gastronomie auf einzigartige Weise verbindet. Er ist das letzte Quartier der Bremer Altstadt mit einer so gut erhaltenen und zusammenhängenden historischen Bausubstanz aus dem 15. bis 19. Jahrhundert.

Ein Original des Viertels: Heini Holtenbeen

Jedes Viertel hat seine Originale, und der Schnoor ist da keine Ausnahme. Einer der bekanntesten ehemaligen Bewohner war Jürgen Heinrich Keberle (1835–1909). Wegen seines Hinkens wurde er im Volksmund „Heini Holtenbeen“ genannt, obwohl er kein Holzbein hatte. Mit seiner markanten Erscheinung und seinem schlagfertigen Humor wurde er zu einem echten Bremer Original. Ihm zu Ehren wurde im Schnoor ein Denkmal errichtet, und sogar ein Verein, der sich um die Pflege des Viertels kümmert, wurde nach ihm benannt. Solche Figuren tragen zum unverwechselbaren Charakter und den Geschichten des Schnoors bei.

Häufig gestellte Fragen zum Schnoorviertel

Wie alt ist das Schnoorviertel in Bremen?
Das Schnoorviertel reicht in seiner Geschichte bis ins Hochmittelalter zurück. Erste schriftliche Erwähnungen des Gebiets stammen aus dem 13. Jahrhundert, als dort ein Franziskanerkloster gegründet wurde. Die ältesten erhaltenen weltlichen Gebäude stammen aus dem frühen 15. Jahrhundert.

Warum heißt das Viertel „Schnoor“?
Der Name „Schnoor“ kommt vom niederdeutschen Wort für „Schnur“ oder „Tau“. Er geht auf das mittelalterliche Handwerk zurück, das in diesem Viertel betrieben wurde. Hier stellten Seiler und Tauwerker Seile und Taue für die Schifffahrt her, die an der Balge, einem damaligen Seitenarm der Weser, stattfand.

Was ist die Balge?
Die Balge war ein Seitenarm der Weser, der unmittelbar vor dem Schnoorviertel verlief. Sie diente als wichtiger Wasserweg für die Bewohner des Viertels, insbesondere für Fischer und Schiffer. Im 19. Jahrhundert versandete die Balge und wurde schließlich zugeschüttet.

Wurde der Schnoor im Krieg zerstört?
Nein, der Schnoor wurde im Zweiten Weltkrieg weitgehend von den schweren Zerstörungen verschont, die andere Teile der Bremer Altstadt trafen. Dies ist einer der Gründe, warum die historische Bausubstanz so gut erhalten ist.

Was kann man im Schnoor heute erleben?
Heute ist der Schnoor ein beliebtes Ziel für Touristen und Einheimische. Man kann durch die engen Gassen schlendern, historische Gebäude bewundern, in Kunsthandwerkgeschäften, Galerien und Antiquitätenläden stöbern, in gemütlichen Cafés und Restaurants einkehren oder kulturelle Einrichtungen wie das Bremer Geschichtenhaus besuchen.

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Bruno Auerei Leimen

Ich heiße Bruno Auerei Leimen und wurde 1979 in Heidelberg geboren. Seit über zwanzig Jahren widme ich mich leidenschaftlich der Entdeckung der kulinarischen Vielfalt Deutschlands. Nach meinem Studium der Literatur und des Journalismus an der Universität München habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, meine Liebe zum Schreiben mit meiner Neugier für authentische regionale Küche zu verbinden. Heute arbeite ich als Gastronomiekritiker, habe drei Bücher über kulinarische Reisen veröffentlicht und schreibe regelmäßig für renommierte Magazine. Besonders schlägt mein Herz für traditionelle Gerichte und handwerklich gebrautes Bier.

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