Brügge: Ein unvergessliches Restaurant-Erlebnis

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Brügge. Allein der Name lässt Bilder von malerischen Kanälen, historischen Giebelhäusern und dem Duft von belgischen Waffeln und Schokolade entstehen. Eine Stadt wie aus dem Märchenbuch, ein Magnet für Romantiker und Genießer. Doch manchmal hält Brügge auch andere, unerwartete Erlebnisse bereit – solche, die sich tief ins Gedächtnis brennen, auch wenn die Details durch den Nebel des Abends verschwimmen. An einem solchen Abend fanden wir uns, eine Gruppe von Freunden, die bereits zuvor die Vielfalt der belgischen Bierkultur ausgiebig studiert hatte (ungelogen, jeder von uns hatte wohl so um die 20 Biere intus), auf der Suche nach einem Ort wieder, der uns sättigen und vielleicht noch das ein oder andere Getränk bieten konnte. Die Stimmung war ausgelassen, vielleicht sogar schon ein wenig übermütig, und die Vorfreude auf ein authentisches belgisches Lokal groß.

Gibt man in Brügge in Restaurants Trinkgeld?
Trinkgeld ist in Belgien nicht obligatorisch . Hotels und Restaurants berechnen den Service automatisch auf ihre Preise. Sie können jederzeit mehr Trinkgeld geben, wenn Sie möchten, zum Beispiel für leckeres Essen, außergewöhnlichen Service oder freundliches Personal. 5 bis 10 % der Gesamtrechnung sind der übliche Betrag.

Wir stürmten das Lokal nicht einfach; wir fielen darin ein. Wie eine Rugbymannschaft, die nach einem harten Spiel kurz vor dem Verhungern steht, drängten wir uns durch die Tür, eine Welle von Energie und – ja, man muss es so sagen – bereits fortgeschrittener Bierlaune. Die Einrichtung war die einer klassischen Gaststätte: dunkles Holz, gedämpftes Licht, vielleicht ein paar alte Fotografien an der Wand. Ein Ort, der normalerweise Ruhe ausstrahlt. Doch mit unserem Eintreffen änderte sich die Atmosphäre schlagartig. Der erste Reflex war klar: Mehr Bier. Also bestellten wir, kaum dass wir saßen, eine Runde nach der anderen. Die Erwartung war hoch, die Mägen knurrten, aber der Durst war unbestreitbar die oberste Priorität.

Der Kellner, der unsere Bestellung entgegennahm, war eine Erscheinung für sich. Er wirkte auf den ersten Blick traurig und ein wenig faul, fast so, als trüge er die Schwere der Welt auf seinen Schultern. Seine Augen hatten einen Ausdruck von tiefer, fast schon resignierter Ruhe. Doch in diesem Moment, vielleicht lag es an unserer eigenen, bereits etwas veränderten Wahrnehmung, spürte ich eine seltsame Verbindung zu ihm. Es war, als hätte dieser Mann das Leben in seiner ganzen Melancholie und Gleichgültigkeit durchdrungen. Ein Philosoph im Kellner-Outfit? Schwer zu sagen. Er nahm unsere Bestellung auf, ohne eine Miene zu verziehen, ließ sich nicht von unserer Lautstärke oder Ausgelassenheit aus der Ruhe bringen. Was folgte, war jedoch... interessant. Er brachte zwei Mal die falsche Bestellung, jedes Mal mit einer geradezu meditativen Langsamkeit. Man hatte fast den Eindruck, er tat es mit Absicht, eine stille Rebellion gegen die Hektik der Welt, oder vielleicht auch nur eine subtile Bestrafung für unseren Zustand. Ich hatte das Gefühl, er mochte uns nicht besonders, vielleicht störten wir seine innere Ruhe. Er schien uns eher zu tolerieren als zu bedienen. Und doch, trotz der falschen Bestellungen und der trägen Art, fanden wir den Service in der Summe irgendwie doch ganz gut. Vielleicht lag es daran, dass er uns gewähren ließ, uns nicht rauswarf, oder vielleicht an der Authentizität seiner offensichtlichen Desinteresse, die in unserer verblendeten Verfassung fast schon wieder sympathisch wirkte. Es war kein polierter, aber ein ehrlicher, wenn auch sehr eigener Service.

Dann kam das Bier. In Belgien hat man hohe Erwartungen an Bier, selbst wenn man schon einiges intus hat. Doch dieser Trunk war anders. Es schmeckte... nun ja, die Beschreibung meines Freundes traf es ziemlich genau: wie eine Mischung aus Schwarzbrot, Zuckerrübensirup und Glutamat. Stellen Sie sich den schweren, leicht säuerlichen Geschmack von Pumpernickel vor, kombiniert mit der klebrigen Süße von Zuckerrübensirup, abgerundet durch diesen umami-lastigen, würzigen Kick, den man von Glutamat kennt. Eine Kombination, die man vielleicht nicht unbedingt in einem Glas Bier erwartet. Es war intensiv, schwer und irgendwie auch überfordernd. Ein Geschmackserlebnis, das polarisierte und definitiv nicht jedermanns Sache war. Für uns, in unserem Zustand, war es definitiv "ein bisschen viel". Jeder Schluck war eine kleine Herausforderung, eine Reise durch unerwartete Geschmackslandschaften. Einige von uns versuchten, es zu mögen, suchten nach den Nuancen, andere kämpften einfach nur damit, es runterzubekommen.

Und das Essen? Überraschenderweise oder vielleicht auch nicht überraschenderweise, schmeckte es sehr ähnlich wie das Bier. Schwere, süßliche Noten, eine Art umami-Geschmack, der an Glutamat erinnerte. Es war deftig, keine Frage, vielleicht ein Eintopf oder ein schweres Fleischgericht, das in einer dunklen, würzigen Sauce schwamm. Die Textur war reichhaltig, der Geruch intensiv. Aber die Geschmacksrichtung war so dominant und ähnelte dem Bier so sehr, dass es die Mahlzeit zu einer Fortsetzung des ungewöhnlichen Trinkerlebnisses machte. Es war kein leichtes Essen, eher etwas, das man nach einem langen Tag harter Arbeit oder eben nach zwanzig Bieren braucht. Es lag schwer im Magen und trug weiter zur allgemeinen Betäubung bei.

Ist Essengehen in Brügge teuer?
Wie in jeder europäischen Stadt ist Brügge recht teuer, wenn man täglich mittags und abends in Restaurants essen möchte . Viele der Hauptrestaurants im Stadtzentrum von Brügge sind auf Touristen ausgerichtet, sodass man für die Lage mehr bezahlen muss. Außerhalb des Stadtzentrums gibt es günstigere und preiswertere Lokale.

Nach dem Essen saßen wir da, einige kämpften sichtlich mit der Schwere der Mahlzeit und des Bieres. Die Gespräche wurden langsamer, die Blicke glasiger. Dann geschah etwas, das die bizarre Szenerie komplettierte und für einen Moment die allgemeine Trägheit durchbrach. Einer meiner Brüder, der mittlerweile aussah "wie ein Fisch nach einer Lobotomie" – eine treffende, wenn auch besorgniserregende Beschreibung seines Zustands, seine Augen starr und leer, sein Mund leicht geöffnet – zündete sich seelenruhig eine Zigarette an. Mitten im Lokal. Die kleine Flamme des Feuerzeugs leuchtete kurz auf, dann stieg eine dünne Rauchfahne in die gedämpfte Luft. In diesem Moment, so seltsam es klingt, dachte ich: Ja, das ist genau der richtige Augenblick dafür. Es fühlte sich authentisch an, eine Geste der Kapitulation oder des Triumphs über den eigenen Zustand, wer weiß das schon. Und tatsächlich, wir sahen uns um, suchten nach Verbotsschildern, aber da war keins. Trotzdem, und das war abzusehen, wurde er aufgefordert, die Zigarette auszumachen. Der Kellner oder vielleicht der Wirt kam ruhig, aber bestimmt an unseren Tisch. Nach kurzem Protest, der wohl eher symbolischer Natur war – ein leises Murmeln über die fehlenden Schilder – gab er nach. Und zu seiner Ehrenrettung muss man sagen, er nahm es ziemlich gut auf. Ein kleiner Moment der Rebellion, schnell wieder eingefangen, der aber perfekt zum unkonventionellen Charakter des Abends passte.

Wie ging es uns danach? Ehrlich gesagt, einigen ging es wirklich schlecht. Die Kombination aus vorherigem Alkoholkonsum, dem schweren Bier und dem deftigen, geschmacksintensiven Essen forderte ihren Tribut. Die Gesichter waren bleich, die Bewegungen langsam. Man spürte die Last des Abends. Doch nicht jeder war so gebeutelt; einige in der Gruppe schienen erstaunlich gut damit klarzukommen, vielleicht hatten sie eine robustere Konstitution oder einfach weniger Bier getrunken. Die Gruppe spaltete sich in die Leidenden und die, die noch einigermaßen funktionierten. Das Highlight – oder Tiefpunkt, je nach Sichtweise – war, als zwei der Jungs sich übergeben mussten. Diskret, aber unübersehbar. Ihre Erklärung war jedoch eindeutig und vehement: Es lag nicht am Essen oder dem Bier im Lokal. Nein, die Übeltäter waren eindeutig die Folgen eines "Shoey" – dem Trinken aus einem Schuh – das irgendwann früher am Tag stattgefunden hatte. Eine plausible Ausrede? In unserem Zustand klang alles plausibel. Aber sie hielten standhaft daran fest, dass das Restaurant unschuldig sei an ihren körperlichen Nöten.

Und nun zum Fazit, zur Bewertung. Nach all dem – dem seltsamen Service, dem Bier mit dem ungewöhnlichen Geschmack, dem schweren Essen, der Zigaretten-Einlage und den physischen Nachwirkungen – mag es überraschen, aber die Bewertung lautete: Schöne Gaststätte, 4 von 5 Punkten. Wie passt das zusammen? Es passt, weil es mehr war als nur ein Essen oder ein Getränk. Es war ein Erlebnis. Ein chaotisches, ja, aber authentisches und unvergessliches. Es war kein steriles, perfektes Restaurant, sondern ein Ort mit Charakter, mit Ecken und Kanten, der uns genau in dem Zustand empfing, in dem wir waren, und uns eine Geschichte lieferte, die wir noch lange erzählen werden. Der Kellner, das Bier, die Zigarette, der Shoey – all das fügte sich zu einem Abend zusammen, der in seiner Bizarrität fast schon perfekt war. Es war die Art von Ort und Nacht, die man nicht vergisst, gerade weil sie so anders war. Es war kein Ort für einen ruhigen, romantischen Abend, aber perfekt für eine Gruppe, die das Unvorhergesehene sucht und findet. Und vielleicht ist das in der Gastronomie am Ende mehr wert als makelloser Service oder ein 08/15-Geschmack: die Fähigkeit, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, eine Anekdote zu schaffen. Und das ist dieser "schönen Gaststätte" in Brügge zweifellos gelungen. Es war ein Abend, der die Grenzen dessen, was man von einem Restaurantbesuch erwartet, verschob und uns zeigte, dass manchmal die chaotischsten Erlebnisse die denkwürdigsten sind.

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Bruno Auerei Leimen

Ich heiße Bruno Auerei Leimen und wurde 1979 in Heidelberg geboren. Seit über zwanzig Jahren widme ich mich leidenschaftlich der Entdeckung der kulinarischen Vielfalt Deutschlands. Nach meinem Studium der Literatur und des Journalismus an der Universität München habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, meine Liebe zum Schreiben mit meiner Neugier für authentische regionale Küche zu verbinden. Heute arbeite ich als Gastronomiekritiker, habe drei Bücher über kulinarische Reisen veröffentlicht und schreibe regelmäßig für renommierte Magazine. Besonders schlägt mein Herz für traditionelle Gerichte und handwerklich gebrautes Bier.

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